Festival:

Summer Breeze Open Air 2023 - Donnerstag

Festival vom 17.08.2023

Den ersten Tag eines Festivals spürt man erfahrungsgemäß am nächsten Morgen am meisten, deshalb gingen wir den Donnerstag erst einmal ausgesprochen gemütlich an. Auf Metal Yoga an der Ficken Stage verzichteten wir deshalb erst mal. Nachdem uns die Sonne aus dem Zelt getrieben hatte, nahmen wir das obligatorische Weißwurstfrühstück inkl. Brezel und Weißbier zu uns, was uns freilich die neidischen Blicke der Nachbarn einbrachte. Diese ließen sich aber schnell mit frisch gebrühtem Filterkaffee versöhnen. Dem Kaffee folgten unweigerlich die nächsten Kaltgetränke und es kam so langsam Partystimmung auf.

Den musikalischen Teil des Tages starteten wir mit THE NEW ROSES, die sich auf der T-Stage vergnügten. Und das meine ich genau so, wie ich es gesagt habe. Die Jungs hatten wirklich einen Heidenspaß und das war äußerst ansteckend. Zum einen war da die erfrischende Mischung aus Hardrock und Rock 'n' Roll, die praktisch jeden abholte und zum anderen agierte da diese Rampensau in Person von Timmy Rough. Er sang, sprintete dabei von einer Ecke der Bühne zur anderen und flirtete gleichzeitig mit dem Publikum. Klar, dass ihm irgendwann die Bühne zu klein wurde und er sich früher oder später unters Volk mischte. Wenig überraschend wurde er augenblicklich von Handyfilmern umringt, die auf der Jagd nach einem Selfie mit dem Sonnyboy waren. Norman Bites, der erst dieses Jahr wieder zu den Wiesbadenern zurückgekehrt war, stellte ein weiteres belebendes Element dar. Ihm sah man nicht nur wegen seines exzellenten Gitarrenspiels gerne zu, sondern auch wegen seiner Posen, die er mit besonders viel Euphorie vor einem Bühnenventilator vollführte. Die 45 Minuten vergingen alsdann wie im Flug und zurückblieben haufenweise glückliche Gesichter, unsere mitgezählt.

Der nächste Act an diesem Tag hätte konträrer nicht sein können. Vom beschaulichen Rheingau wechselten wir nach Brandon (Florida), bezüglich der Herkunft und statt smartem Stadionrock gab’s handfesten Oldschool-Death-Metal von Obituary auf den Gehörgang. Eigentlich hatte ich mich mit dieser Combo weitestgehend zu ihrer Anfangszeit (zu Beginn der 90er Jahre) befasst. “Frozen In Time“ ist mir später zum Release 2005 in die Finger gefallen. So war nun nicht zu erwarten, dass ich jeden Track auf dem Schirm hatte, der da jetzt kommen sollte. Das spielte aber auch keine Rolle. Der Einstieg mit dem instrumentalen “Redneck Stomp“ funktioniert schon mal prima und als zu “Sentence Day“ John Tardy unter tosendem Gejohle seitens der Zuschauer auf die Bühne stürmte, gelang es mir, in die Stimmung einzutauchen. Der erstaunlich gut gefüllte Platz vor der T-Stage zeigte, welches Standing diese Combo heute noch hat – zu Recht! Den Sound würde ich als schwer, extrem groovig, ja zuweilen brachial bezeichnen und dazwischen keifte John brutal und kraftvoll wie in alten Tagen. Die neuen Nummern hatten es mir überraschender Weise echt angetan. Der letzten Platte “Dying of Everything“ werde ich in Zukunft entschieden mehr Aufmerksamkeit schenken.

 

 

Leider konnten wir uns diesen Gig nicht bis zum Ende geben, was wir sehr bedauerten, aber auf der Main-Stage wartete eines unserer persönlichen Zugpferde dieses Festivals auf uns: TRIVIUM.

Das letzte Mal hatten wir die Amerikaner 2011 in der Offenbacher Stadthalle gesehen. Damals war gerade das “In Waves“ Album aktuell. “In the Court of the Dragon“ ist das Werk, das derzeitig aktuell ist und mit dem Titeltrack ging die Show auch los. Das Set hatte mächtig Dampf und Matt war überdies richtig gut bei Stimme. Das gilt sowohl für die gehaltvollen Growls, als auch für den akkuraten Klargesang. Sein Outfit war witziger Weise auf des asiatische Bühnenbild abgestimmt. Dies war, wie sein Hemd, in gelb-rot gehalten und zeigte Drachen und tätowierte Krieger. Seine gelben Schuhe setzten das Tüpfelchen auf das i. Der Spaß an der Sache war dem ausgesprochen sympathischen Mr. Heafy nicht nur anzusehen, er kommunizierte das auch immer wieder lautstark – meist in gebrochenem Deutsch. Wir waren alle seine Freunde und wenn er lautstark „Ich liebe Dich“ skandierte, war das jedes mal ein schmunzeln wert. 2011 wurde Material aus lediglich drei Alben verwendet, heute fand hingegen die komplette Diskografie Erwähnung. Das gab der Darbietung eine gewisse Vielfalt, da gerade bei TRIVIUM nicht ein Album, wie das andere klingt. Selbst vom überaus kontrovers diskutierten “Silencer In The Snow“ wurde ein Song zum Besten gegeben. “Until the World Goes Cold“ fand allerdings das erste mal auf dieser Tour den Weg ins Set. Die Mischung aus klassischem Metal mit einer guten Prise Metalcore wurde von den Protagonisten mit feiner Klinge heißblütig vorgetragen. Einer konnte jedoch nicht so mitmischen wie sonst üblich. Zu unserer Verwunderung stand auf der rechten Seite der Bühne Paolo Gregoletto, der vor kurzem erst eine Hernien-Notoperation überstanden hatte. Wir hatten ihn nicht so schnell zurück erwartet. In Wacken wurde er noch von Josh Baines (Gitarrist bei MALEVOLENCE) vertreten. Da er aber nichts heben durfte, war sein Bass an einem Ständer befestigt, wie man ihn gelegentlich beim Einsatz von akustischen Gitarren benutzt, wenn ein Intro oder ähnliches gespielt wird.
“In Waves“ markierte nach ca. 90 Minuten den Abschluss eines phänomenalen Auftritts, ausgerechnet die Nummer, mit der die Truppe aus Orlando vor 12 Jahren in Hessen begonnen hatte.

Eigentlich hätten wir uns im Anschluss Richtung Zeltplatz getrollt, ein guter Freund hat uns jedoch nahe gelegt, bei FROG LEAP mal vorbeizuschauen. Diese Formation war mir bis zu diesem Abend jedenfalls völlig fremd. Es handelt sich hierbei um einen Multiinstrumentalist namens Leo Moracchioli, der durch YouTube auf sich aufmerksam gemacht hat und bekannte Klassiker mit seinem ganz eigenen Stil metalisiert. Live performt er allerdings nicht alleine, sondern mit Band.

Auf der Bühne tauchte zunächst ein Hase (kein Frosch!!!) auf, der mich irgendwie an Donnie Darko (Film aus 2001) erinnerte. Dieses Plüschohr fungierte gewissermaßen als Anheizer. Headbangend mit Tacktstock begleitete er das klassisch angehauchte Intro. “House Of The Rising Sun“ startete im Anschluss die Vorstellung. Zum Song “Dance Monkey“ (vonTones and I) gesellte sich Hannah Boulton noch hinzu, die diese Nummer (und im Anschluss weiter) trällerte. Um es vorweg zu nehmen, die Aufführung hatte einen hohen Unterhaltungswert an dem wir genauso unsere Freude hatten, wie die meisten, die diesem Schauspiel beiwohnten. Leo und seine Truppe entfachte eine gewisse Partystimmung, die ansteckte. Der finstere Hase taucht plötzlich mitte im Circlepit auf und der Meister himself sang während er auf der Menge crowdsurfte, musikalisch wurde aber derweil äußerst magere Kost geboten. Oft passte das Zusammenspiel der einzelnen Musiker nicht, besonders schlimm wurde es, wenn mehr als einer sang. Mit vielen der Coverversionen, liebevoll von Mr. Moracchioli “Cheesy Popsongs“ genannt, konnte ich nicht besonders viel anfangen, das mag auch daran liegen, dass ich nicht zur Generation gehöre, aus der sich in der Regel Leos Follower zusammensetzen. “Eye Of The Tiger“ (Suvivor) ist jedoch eine Nummer, die ich in meiner Jugend rauf und runter gespielt hatte. Wäre da nicht der mehrstimmige Gesang gewesen, hätte die Version richtig was gehabt. Absoluter musikalischer Offenbarungseid war allerdings “Africa“ von TOTO, eine einzigartige Kakophonie, die uns immerhin amüsierte. In aller Ruhe im Studio an einen Song zu basteln bis alles passt, ist eine Sachen, diesen dann aber live auf der Bühne einem Publikum zu präsentieren mit einer Band eine andere.
Man darf in diesem Fall auch mal die Frage stellen, warum dieses Projekt einen Headlinerslot bekommen hat.

SLEEP TOKEN sollte schlussendlich den Konzerttag für uns beenden. Zugegebenermaßen erneut eine Formation mit der wir bisher keinerlei Berührung hatten. Wer aber in zehn Minuten einen Gig in der Wembley Arena ausverkauft und das mit lediglich drei Alben im Gepäck, verdient es, dass wir wenigstens ein Auge und Ohr riskierten, obwohl unsere Füße etwas anderes verlangten. Wir verschafften uns mit drei, vier Songs auf dem Battlefield einen kurzen Überblick, verfolgten den Rest sodann auf dem Weg zum Lager und auf selbigem. Das Ding mit den Masken wird ja immer wieder gerne genommen und kommt bei der Anhängerschaft in der Regel gut an, so auch bei diesem Kollektiv. Die in Mönchskutten gewandeten Akteure, legten freilich den Vergleich zu GHOST nahe. Die Musik der Londoner ist so facettenreich, dass es nicht wirklich möglich ist, sie einem Genre zuzuordnen. Auf der einen Seite ist für jeden etwas dabei, andererseits fehlte uns persönlich die eigene Identität. Der Sänger namens Vessel überzeugte jedenfalls mit einem enormen Stimmumfang und -volumen.

Am Zeltplatz angekommen, stillten wir zuallererst unseren Hunger mit einer Dose Ravioli, die für uns zur Standardverpflegung auf einem Festival gehört. Damit war der Abend aber noch lange nicht zu ende. Das lustige Triumvirat neben uns war in bester Feierlaune und wir ließen uns dementsprechend nicht lange bitten, dort mit einzusteigen. Als wir um vier Uhr in unseren Schlafsack krochen, schliefen wir erschöpft aber zufrieden mit dem Tag sofort ein.

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